Fahne USA EU
© 2020 Getty Images
#KonjunkturCHECK: EU - USA Wendet sich das Blatt?

Donald Trump könnte mit seinen großen Ankündigungen und eiligen Verordnungen der US-Wirtschaft einen Bärendienst erweisen. In Europa wurden durch die abrupte Abnabelung die Bullen zum Leben erweckt. Ob diese Entwicklung ein Strohfeuer oder nachhaltig ist, klärt Volkswirtin Bettina Hametner.

Europas neues Selbstbewusstsein

Während die USA in den letzten Jahren unbeeindruckt von höheren Zinsen und geopolitischen Verwerfungen einem robusten Wirtschaftswachstumspfad folgten, musste sich die Eurozone vielen Herausforderungen beugen. Nun könnte sich das Blatt wenden. Europas Börsen spüren aufgrund der "neuen Selbständigkeit" des Kontinents Rückenwind. Doch wie nachhaltig ist diese Entwicklung und kann sie sich auf die Realwirtschaft übertragen?

USA: Trumpboost versus Trumpcession

Nachdem zum Jahreswechsel die Prognosen für die US-Wirtschaft 2025 weiter recht vielversprechend waren und man sich von Trumps wirtschaftspolitischen Ambitionen zumindest einen kurzfristigen zusätzlichen Schub erwartete, begann sich Mitte März Nervosität breit zu machen.

Dem raschen Tempo, welches Trump beim Ankündigungen, Aufschieben und Widerrufen diverser Eingriffe in Güter-, Energie-, Arbeits- und sonstige Märkte vorlegt, ist nur schwer zu folgen.

Dies schürt Unsicherheit, bei Verbrauchern wie Unternehmern, drückt die Konsum- wie Investitionslaune und erhöht die Volatilität an den Finanzmärkten. Erste Unkenrufe, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession abgleiten könnte, sind bereits präsent. Die Mehrheit der Analysten hält diesen Schluss vorerst jedoch für überzogen.

Fed steckt im Dilemma

Dennoch: Von einer - womöglich deutlichen - Abschwächung der bislang vergleichsweise hohen Konjunkturdynamik gehen mittlerweile viele Wirtschaftsforscher aus. Darauf deuten auch zahlreiche Softindikatoren wie Verbraucher- oder Unternehmervertrauen hin.

Schwächt sich das Wachstumstempo der US-Wirtschaft tatsächlich deutlich ab, könnte dies in einem weiteren Schritt bedeuten, dass die Fed doch zeitnäher als gedacht mit den Zinsen nach unten geht. Zum Jahresbeginn 2025 hatten sich angesichts der hartnäckig über dem Ziel verharrenden Inflationsraten die Hoffnungen auf schnelle Senkungen eher zerstreut.

Die Fed steht hier vor einem Dilemma, denn Trumps Ankündigungen höherer Zölle und Staatsausgaben erhöhen die Inflationserwartungen. Kurzfristig könnte die Fed Konjunktur- und damit Beschäftigungsorgen gegenüber Inflationsängsten den Vorzug geben.

Grafik Inflationserwartungen
Quelle: Bloomberg, RLB Hametner
Europa: Abnabelung in vollem Gang

Trumps aggressives Verhalten hat ungewollt einen Abnabelungsprozess in Europa ausgelöst und ein neues Bewusstsein für Europas eigene Bedeutung in der Weltwirtschaft und Politik geschaffen.

Reformen zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit werden schnell umgesetzt, der Zusammenhalt wird verstärkt und eine gemeinsame Verteidigungsstrategie wird entwickelt. Analysten erwarten eine positive Auswirkung auf die Konjunktur. Aktuelle Indikatoren bestätigen dies: Viele zeigen eine leichte Verbesserung.
 

Der Stimulus kommt hauptsächlich von steigenden Staatsausgaben, besonders Deutschland plant große Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung. Die EU konzentriert sich auf Aufrüstung, was ökonomisch gesehen eine Belebung der Forschung und Entwicklung und langfristig positive Effekte auf das Wachstumspotenzial der EU-Wirtschaft erwarten lässt.

Historisch gesehen stammen viele technologische Durchbrüche aus der Rüstungsindustrie. Mehrere Institute untersuchen bereits die Auswirkungen einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf das BIP-Wachstum der EU.

Auswirkung der Aufrüstung auf Wirtschaft

Ein expansiver Effekt ist nur zu erwarten, wenn die zusätzlichen Güter nicht durch Steuererhöhungen finanziert und jedenfalls in Europa hergestellt werden. Aufgrund der Arbeitskräfteknappheit könnte es schwierig sein, die entstehende Nachfrage zu decken.

Angenommen, die Kapazitäten für Aufrüstung mit vorwiegend in der EU produzierten Gütern können mobilisiert werden, bleibt es dennoch schwierig, den wachstumstreibenden Effekt zu quantifizieren. 

Eine exemplarische Rechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft besagt, dass eine temporäre Erhöhung der Militärausgaben um 1 Prozent des BIP die langfristige Produktivität um 0,25 Prozent steigern könnte, insbesondere durch zusätzlichen Forschung und Entwicklung. Der Draghi-Bericht hebt  Forschung und Entwicklung als einen der wichtigsten Schlüssel zur Überwindung des Produktivitätsrückstands Europas hervor.

Die EU kauft aktuell fast 80 Prozent ihrer Verteidigungsgüter im Ausland. Es gibt großes Potenzial, mehr militärische Ausgaben innerhalb der EU zu tätigen, um die Wirtschaft zu stärken und die Wertschöpfung zu erhöhen. Vor allem kleinere Unternehmen sollten in die geplante Vergrößerung des Verteidigungssektors eingebunden werden.

Dieses Dokument ist weder eine Marketingmitteilung noch eine Finanzanalyse. Es handelt sich lediglich um Informationen über allgemeine Wirtschaftsdaten. Dieses Dokument basiert auf öffentlichen Informationen und wurde von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG ausschließlich zu Informationszwecken erstellt. Die enthaltenen Angaben, Analysen und Prognosen basieren auf dem Wissensstand und der Markteinschätzung zum Zeitpunkt der Erstellung - vorbehaltlich von Änderungen und Ergänzungen. Die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit, Aktualität und Vollständigkeit der Inhalte und für das Eintreten von Prognosen. Die Inhalte sind unverbindlich und stellen keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf dar. Da jede Anlageentscheidung der individuellen Abstimmung auf die persönlichen Verhältnisse (z.B. Risikobereitschaft) des Anlegers bedarf, ersetzt diese Information nicht die persönliche Beratung und Risikoaufklärung durch den Kundenbetreuer im Rahmen eines Beratungsgespräches. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Finanzinstrumente und Veranlagungen mitunter erhebliche Risiken bergen. Angaben über die Wertentwicklung beziehen sich auf die Vergangenheit und stellen daher keinen verlässlichen Indikator für die zukünftige Entwicklung dar. Währungsschwankungen bei Nicht-Euro-Veranlagungen können sich auf die Wertentwicklung ertragserhöhend oder ertragsmindernd auswirken. Ausführliche Risikohinweise und Haftungsausschluss unter www.boerse-live.at/Disclaimer

Redaktionsschluss: 14.03.2025
Erstellerin: Mag. Bettina Hametner, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG