Griechenland und EU
Das einstige „Sorgenkind“ Griechenland im Fokus

Griechenland und die EU – eine komplizierte Beziehung, aber auch ein Beispiel dafür, dass in der europäischen Gemeinschaft niemand fallen gelassen wird.

Serie zur EU-Wahl am 9. Juni

Schuldenkrise, Rettungspakete, Flüchtlingsproblematik. 2015 stand kurzfristig sogar der Verbleib Griechenlands in der Eurozone auf dem Spiel. 2024 freut sich der einstige Pleitestaat über einen Wirtschaftsboom und wurde Ende 2023 zum zweiten Mal in Folge vom britischen „Economist“ zur besten Wirtschaft des Jahres gewählt. Dennoch ganz abschütteln konnten die Griechen die Vergangenheit noch nicht.

Steigende Löhne, höherer Privatkonsum, Investitionen

Es weht der Wind des Neubeginns. Schon 2023 wurde die Kreditwürdigkeit Griechenlands von Ratingagenturen aufgestuft. Demnach waren griechische Staatsanleihen nicht mehr auf „Ramschniveau“, sondern anlagewürdig.

Für die allgemeine Wirtschaftsentwicklung stellte sich die Lage so dar, dass nach einer sehr starken Erholung nach der Pandemie das reale BIP-Wachstum mit 2 Prozent immer noch hoch war und sogar deutlich über dem langfristigen Wachstumspotenzial Griechenlands und dem Durchschnitt des Euroraums, lag.

Verantwortlich dafür waren und sind die Konsumenten, die über höhere Realeinkommen verfügen, die Bauinvestitionen, die getätigt wurden und die Nettoexporte. Mit weiter guter Konsumnachfrage und anziehender Investitionstätigkeit dürfte die Wachstumsdynamik 2024/25 sogar noch etwas steigen.

Die erwartete Zinswende und eine beschleunigte Umsetzung an Investitionen, die aus Geldern aus dem Europäischen Resilienzfonds* ausbezahlt wurden, dürfte auch die Investitionstätigkeit noch ankurbeln. Bis 2025 könnten die Investitionen sogar den Konsum als Hauptwachstumstreiber des BIP ablösen.

* RRF, Fonds, der Geld an Regionen und Wirtschaftsbereiche, die besonders durch die Wirtschaftskrise seit 2020 geschädigt wurden, in Form von Krediten und nicht zurückzahlbaren Zuschüssen auszahlt

Aufschwung auch im Tourismus

Junge Hellenen, die vor Jahren fluchtartig das Land verlassen haben, kehren mittlerweile wieder ins Land zurück. Läden öffnen ihre Fenster und Start-Ups verwirklichen ihre Ideen. Anstatt über Schulden und Rettungspakete wurde zu Jahresbeginn 2024 über den Börsegang des Athener Flughafens oder dem milliardenschweren Immobilienprojekt „The Ellinikon“ berichtet.
 

Der Tourismus an sich läuft wieder gut und die allmähliche Belebung der Konjunktur in Exportmärkten zusammen mit einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit spricht für eine gute Exportentwicklung.
 

Allerdings wird die anziehende Investitionsnachfrage -> die Importnachfrage treiben, da die Investitionstätigkeit der griechischen Unternehmer tendenziell einen hohen Importanteil aufweist. Von den Nettoausfuhren wird dementsprechend kein wesentlicher BIP-Wachstumsbeitrag bleiben und das Leistungsbilanzdefizit wird sich bis 2025 nur mäßig verringern.

(Gezwungene) Budgetdisziplin

Die finanzpolitischen Risiken bleiben groß, auch wenn Griechenland (gezwungenermaßen) mehr Budgetdisziplin zeigt und nach Auslaufen der Coronahilfen und aktuellen Energiepreisstützungen ab 2023 einen Primärüberschuss in Höhe von rund 2 Prozent des BIPs anstrebt.


Bei der Senkung der Schuldenquote, die 2020 aufgrund von Pandemiehilfen und Rezession auf über 200 Prozent des BIP schnellte, hilft neben der zeitlichen Begrenzung der Hilfen auch der statistische Effekt des hohen nominellen BIP-Wachstums, denn der Schuldenstand wird immer Schulden in Prozent des nominellen BIPs angegeben. Wenn also die Inflation recht hoch ist, ist auch das nominelle BIP-Wachstum hoch z.B. Inflation 5 Prozent, reales Wachstum 0 Prozent = nominelles BIP-Wachstum 5 Prozent.


Eine hohe Inflation erhöht also die Vergleichsbasis und beschönigt somit das Bild. Man spricht hier auch vom "Weginflationieren der Staatsschuld".

Stärken Problempunkte
  • relativ geringe Verschuldung privater Haushalte,
  • Tourismus,
  • nach jahrelangem Anpassungsprozess mittlerweile vergleichsweise günstiges Lohnniveau und Gewinnung von Exportmarktanteilen
  • Überschuldung des Staates,
  • unflexibler Arbeitsmarkt,
  • große strukturelle Schwächen,
  • sehr niedriges Wachstumspotenzial durch jahrelang rückläufige Investitionen,
  • ausufernde Bürokratie,
  • angeknackstes Vertrauen in den Bankensektor,
  • Auswirkungen des Klimawandels (Dürre, Hitze, Brände, ...)

Stand: Juni 2024
Erstellerin: Mag. Bettina Hametner, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG

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03.06.2024 - Geldanlage Plus, Volkswirtschaft