Marienkäfer klettert auf Grashalm, grüner Hintergrund
Deutschland: Marienkäfer-Koalition mit Motto "Steuern runter - Investitionen rauf"

Deutschland ist immer noch Top-Wirtschaftsstandort, muss in einschlägigen Rankings aber seit Jahren Federn lassen. Lesen Sie, wie Volkswirtin Bettina Hametner die geplante deutsche Wirtschaftswende der neuen Regierung sieht.

Deutsche Wirtschaftswende im Fokus

Experten kritisierten in Deutschland immer wieder die Reformblockade, Bürokratie, Regulierung statt Förderung von Zukunftstechnologien, fehlenden Auf- und Ausbau von Infrastruktur, Fachkräftemangel oder die risikoaverse Finanzierungskultur. Die neue Regierung steht demnach vor vielen Herausforderungen.

Fünf Hauptthemen der "Agenda 2025"

Das Handelsblatt lud im März 2025 führende Köpfe aus verschiedenen Wirtschaftssektoren ein, konkrete und umsetzbare Vorschläge für eine idealerweise vielversprechende Zukunft zu nennen.

1. Innovation: weniger "deutsche Angst" und "Wer hat Schuld?", mehr Mut und "fail fast, learn faster"

  • allgemeine Förderung unternehmerischen Denkens in Gesellschaft, Schulen, Unis
  • bessere Voraussetzungen für Finanzierungen
    (Wagniskapital, zB steuerliche Anreize für privates Kapital in Start-Ups), Marktchancen und Netzwerke schaffen, Brain-Drain nach Übersee stoppen
  • weniger Barrieren und Regulierungen, mehr Möglichkeiten in allen Belangen

2. Energie: mehr Unabhängigkeit, weniger Kosten

  • effizienterer und schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien: weniger ideologische Grabenkämpfe - mehr Technologieoffenheit, Netzausbau forcieren
  • nicht in Grundlagenforschung verharren - aktive Industrieeinbindung um (Energie-)technologien schneller zur Marktreife zu bringen

3. KI: Zukunft nicht verschlafen

  • Abhängigkeiten reduzieren, idealerweise vermeiden
    (zB von US-Cloudanbietern)
  • Vernetzung, Cluster, Expertenhubs um zeitnahe, breite Nutzung und Monetarisierung zu gewährleisten

4. Fachkräfte: Reskilling, lebenslange Weiterbildung

  • Digitalisierung und Automatisierung setzen Arbeitskräfte frei, die anderswo dringend benötigt werden:
    lebenslange Förderung von Aus- und Weiterbildung wird demnach immer wichtiger um Qualifikationsmis-Matches vorzubeugen; Bildungssystem muss auf sich verändernde Arbeitswelt reagieren
  • engere Verzahnung von Wirtschaft und (Hoch-)schulen

5. Bürokratie: strukturelle Trägheit kostet Zeit, Innovationskraft und damit Geld

  • Potenziale von Digitalisierung, Automatisierung, Standardisierung nutzen
Quelle: IMD - International Institute for Management Development
Grafik Beurteilung deutscher Wirtschaftsstandort
Quelle: ifo Ökonomenpaneel, April 2024
Steuern runter - Investitionen rauf

Deutschland musste schnell eine handlungsfähige Regierung bilden, was allgemein Erleichterung auslöste. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD erhält gemischte Reaktionen aus der Wirtschaft.

Laut einer Analyse des Thinktank "Dezernat Zukunft" könnte das Potenzialwachstum bis 2029 durch ausgewählte Maßnahmen des Koalitionsvertrags um 0,4 Punkte auf 1,2 Prozent steigen. Drei vielversprechende Maßnahmen sind zusätzliche öffentliche Investitionen, gezielte Einwanderung qualifizierter Fachkräfte und die Aktivrente für steuerfreie Einkünfte bis zu 2000 Euro.

Weitere positive Punkte sind die schrittweise Senkung der Unternehmenssteuer, von 15 Prozent auf zehn Prozent in Ein-Prozent-Schritten ab 2028, die Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes, subventionierte Strompreise für Unternehmen und Anreize für Investitionen und Mehrarbeit. Zudem soll ein „Deutschlandfonds“ (zehn Mrd. EUR) für Kapitalspritzen und Kredite geschaffen werden, ebenso wie eine digitale Anlaufstelle für Gründer und ein neues Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung.

Bescheiden, aber wichtig

Kritik kam schnell: Der Koalitionsvertrag ist ein Kompromiss, der den Status Quo beibehält und Zukunftsfragen halbherzig angeht.

Die "Wirtschaftswende" fällt bescheidener aus als in den Wahlprogrammen, was auf unterschiedliche Prioritäten der Parteien zurückzuführen ist. Viele Maßnahmen müssen konkretisiert und umgesetzt werden und stehen unter Finanzierungsvorbehalt.

Fazit:
 Insgesamt handelt es sich nicht um einen echten Neustart der deutschen Wirtschaftspolitik, obwohl dies benötigt wird. Positiv ist, dass dem Tempo im geopolitischen Umfeld Vorrang gegeben wurde.

Grafik Staerken Schwaechen Standort Deutschland
Quelle: ifo Ökonomenpaneel, April 2024, Dezernat Zukunft: April 2025
Grafik Deutsches Potentialwachstum
Quelle: KoaV: Koalitionsvertrag, Baseline lt. EU-Herbstprognose 2024

Redaktionsschluss: 10.04.2025
Erstellerin: Mag. Bettina Hametner, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG
Quellen: ifo Ökonomenpaneel April 2024, Dezernat Zukunft April 2025, Unctad April 2025, KoaV: Koalitionsvertrag, Baseline lt. EU-Herbstprognose 2024