Europa unter der Lupe (Landkarte)
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Europas Wettbewerbsfähigkeit unter der Lupe

Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität sind entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg einer Volkswirtschaft. Europa gerät hier immer mehr ins Hintertreffen.

Serie zur EU-Wahl am 9. Juni

In den letzten Jahrzehnten waren der freie Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr ein starker Motor für das Wirtschaftswachstum in Europa. Angesichts der Herausforderungen, die aus strukturellen Trends und geopolitischen Spannungen entstehen, muss Europa seine Stärken schärfen, um internationaler Top-Player zu bleiben. Denn – so die Erkenntnis der Politik: Es tut sich immer mehr eine Innovations- und Produktivitätslücke der EU zu ihren Hauptkonkurrenten USA und China auf.

Die „Mid-Tech“-Falle

Europa und speziell Deutschland stecken laut Institut für Wirtschatsforschung in einer sogenannten „Midtech-Falle“: Viel Geld wird für Forschung und Entwicklung in bestehenden Branchen investiert. Allen voran in der Autoindustrie. Und das, obwohl einiges dafür spricht, dass diese Branchen zukünftig nicht mehr zu den Hauptwachstumstreibern zählen werden.
 

In den USA hingegen dominieren Sektoren, die als Hightech eingeordnet werden, darunter Digitalwirtschaft und Gesundheitsindustrie.

Grafik Privatwirtschaftliche F&E-Ausgaben 2022 nach Tech-Level
Quelle: ifo - Institut für Wirtschaftsforschung, April 2024

Zwei Flaggschiffprogramme im Vergleich: DARPA versus EIC

Der Förderung von bahnbrechenden Durchbruchsinnovationen („Sprunginnovationen“), die weit von Marktanwendungen entfernt sind, scheint in Europa, verglichen mit den USA, vergleichsweise weniger Bedeutung beigemessen zu werden. Diese Feststellung drängt sich auf, wenn man zwei diesbezügliche Flaggschiffprogramme vergleicht: DARPA (was zu deutsch etwa „Behörde für Forschungsprojekte der Verteidigung“ bedeutet) aus den USA und EIC („Europäischer Innovationsrat“) der EU.

 

Nur knapp 3 Prozent (ca. 300 Mio. Euro) des jährlichen Budgets der EU für Forschung & Entwicklung sind für den EIC vorgesehen. Im Vergleich dazu nimmt DARPA mit jährlich etwa 4 Mrd. US-Dollar deutlich mehr Geld in die Hand. 

DARPA strebt radikale Innovationen an. Weniger als die Hälfte des Budgets ist darauf ausgerichtet, bestehende Produkte und Dienstleistungen weiterzuentwickeln. Größerer Wert (knapp 60 Prozent der Finanzierungssumme) wird auf Grundlagen- und angewandte Forschung gelegt, die keine unmittelbar kommerziellen Zwecke hat. Der EIC fokussiert hingegen weniger als 40 Prozent auf Grundlagen- und angewandte Forschung.


Schließlich konzentriert DARPA seine Finanzierung im Vergleich zum EIC stärker auf Forschungseinrichtungen als auf Privatunternehmen. Wenig, etwa 100 Mio. USD, fließt in Klein- du Mittelunternehmen-Förderprogramme (KMU), in der EU sind etwa 70 Prozent des EIC-Förderbetrags für KMU und Start-Ups reserviert. Die Antragsverfahren und Auswahlprozesse von EU-Projekten erscheinen im Vergleich zu den USA sehr bürokratisch und unterliegen einem starren komplizierten Regelwerk mit viel Entscheidungsmacht beim Beamtenpersonal.

Subventionen – die ultimative Lösung?

Nicht unbedingt! Wichtiger erscheint es, der insgesamt attraktivste Standort für unternehmerisches Handeln zu werden. Dabei hilft es Technologieoptimismus zu schüren, Rahmenbedingungen attraktiv zu gestalten, gesetzliche Bestimmungen, die Forschungsaktivitäten behindern, kritisch zu hinterfragen und wenn möglich abzubauen, Lösungen für Fachkräfteengpässe zu finden. Hier schließt sich der Kreis, den die EU in Angriff nehmen will und der ein gutes Stück Arbeit bedeuten wird.

Am EU-Sondergipfel am 19. April 2024 sprach die EU-Spitze über die zentrale Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit der EU und formulierte vier zentrale Aktionsbereiche Verbesserung des Zugangs zu Kapital für europäische Unternehmen:
 

  1. Senkung der Energiekosten
  2. Verbesserung der Kompetenzen der Erwerbstätigen
  3. Stärkung des Handels mit der übrigen Welt
  4. Stärkung des Handels mit der übrigen Welt

Wie siehts in Österreich aus?

„Dem Standort Österreich fehlt‘s an Ambition", sagt das Deloitte Standortradar 2023

„Österreich gilt immer noch als attraktiver Wirtschaftsstandort, doch in den wichtigsten internationalen Standortrankings verharrt die Alpenrepublik seit Jahren im Mittelfeld. Laut einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Deloitte wird das langsam, aber sicher zu einem ernsthaften Problem für den Standort. Denn neben multiplen Krisen sägt die Arbeitsmarktsituation an der Wettbewerbsfähigkeit. Um den Anschluss zur Spitze nicht endgültig zu verlieren, braucht es deshalb seitens der Politik rasche ambitionierte Schritte.“ 

Quelle: Deloitte Standortradar 2023 (Umfrage bei 232 Führungskräften österreichischer Unternehmen, Apr.24

Stand: Mai 2024
Erstellerin: Mag. Bettina Hametner, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG

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15.05.2024 - Volkswirtschaft